Ein Milliardär, der nicht unbedingt für sein Zurückhaltung im Verbreiten seiner zumeist eher einfach gestrickten Gedanken ist, hat Twitter gekauft, was mal wieder eine Welle ausgelöst hat. Eine Welle der Verzweiflung, Empörung, wüster Beschimpfungen der Nutzer*innen untereinander und so weiter.
Und eine Welle derer die dann jetzt aber wirklich endgültig zu Mastodon wechseln wollen, werden oder gewechselt sind.
Ohne in epische Tiefe gehen zu wollen hier ein paar Worte und Gedanken dazu was Mastodon ist, wie es funktioniert, was es nicht ist, was es mit Vertrauen zu tun hat und wo die Unterschiede zu Twitter liegen…
Was ist Mastodon
Mastodon bietet eine zu Twitter vergleichbare Plattform, auf der Nutzer*innen sich in Form von Kurzmitteilungen mitteilen können. Öffentlich oder persönlich direkt mit privaten Nachrichten.
Unterschied zu Twitter?
Der Unterschied zu Twitter ist, dass es nicht den einen Anbieter mit dem einen Server gibt auf dem diese Plattform läuft. Mastodon ist dezentral und funktioniert, mal ganz platt verglichen, eher wie E-Mail. Es gibt ja auch nicht den weltweit einen E-Mail-Server wo alle ihre Mails liegen haben sondern es gibt hunderte oder eher tausende E-Mail Server da draußen, jeder mit einem eigenen Kundenstamm. Und trotzdem können E-Mails von jedem Server zum anderen geschickt werden – Nutzername@Servername.
Mastodon funktioniert im Prinzip genauso: Es gibt viele Server, die Instanzen, die jeweils einen eigenen Namen haben, der teil hinter dem @-Symbol. Und wie bei E-Mail hat jede*r auch die Wahl, einen eigenen Server, eine eigene Instanz aufzusetzen, für sich selbst oder für einen Freundes-/Familienkreis oder öffentlich auch für andere. Die Software dafür ist OpenSource.
Das bedeutet auch, dass Nutzer*innen nicht den einen Namen haben. Wer bei Twitter jemanden sucht, gibt den Namen ein und wird normalerweise fündig. Bei Mastodon muss schon wissen auf welcher Instanz eine Bekanntschaft zu finden ist, wie bei E-Mail genügt der erste Teil des Namens nicht zur eindeutigen Identifizierung. Es gibt zig tausend "info"-E-Mail-Adressen da draußen aber erst mit dem Servernamen hinter dem @ wird der Name eindeutig. So auch bei Mastodon.
Was auch bedeutet: Jede*r kann auf einer beliebigen Mastodon Instanz einen Vornamen verwenden, der vorgibt jemand anderes zu sein. Nur weil Du also irgendwo einen "nSonic" findest, ist keinesfalls sicher, dass ich das bin… Das ist bei E-Mail-Adressen auch der Fall – nur haben wir selten den Anspruch irgendwo im Internet sämtliche E-Mail-Adressen aller Menschen mit E-Mail-Anschluss zu durchsuchen um jemanden zu finden. Normalerweise bekommen wir eine E-Mail-Adresse über andere Wege, weil wir eine Webseite besucht haben, eine Rechnung oder eine Visitenkarte bekommen haben etc. Bei einer Social-Media-Plattform allerdings haben wir so einen Anspruch schon. Wir kennen den Twitter-Namen und wollen die Personen bei Mastodon finden… Das kann herausfordernd sein wenn wir nicht wissen auf welcher Instanz die Person zu finden ist – Nicht nur wegen der Suche an sich, sondern vor allem bei der Einordnung des Suchergebnisses.
Herausforderungen und Vertrauen
Wie bei einem E-Mail-Anbieter hat man als Nutzer*in nun die Wahl zu welcher Instanz man möchte und die Herausforderung überhaupt zu erfahren welche Instanzen es gibt. Es ist also kein einfaches: "gehe zu Anbieter.com, leg einen Account an und fertig", es ist ein Schritt mehr zu Suchen und zu Entscheiden, wohin man möchte.
Wie bei E-Mail gilt aber auch, dass private Nachrichten der Nutzer*innen untereinander von der jeweiligen Administration der Instanz eingesehen werden kann. Private Nachrichten sind verschlüsselt in der Datenbank gespeichert. (Link) Das ist nicht schön, ist bei E-Mail aber in der Regel auch nicht der Fall. Man sollte es einfach nur wissen, dass Admistrator*innen die Möglichkeit haben alle Texte einzusehen, auch private Nachrichten. Privat steht also dafür, dass sie nicht für die ganze Welt zu lesen sind sondern direkt an eine andere Person geschickt werden. Gespeichert werden muss das natürlich trotzdem irgendwo.
Wir müssen bei Mastodon also nicht einem Anbieter vertrauen sondern mehreren Instanzen. Im Gegensatz zu einer großen, zentralen Plattform haben wir es hier mit vielen kleineren und kleinsten Instanzen zu tun. Ob sich dann Einzelpersonen dahinter verbergen oder größere Organisationen, ist nicht auf den Blick erkenntlich.
Genauso schnell wie eine Instanz auftauchen kann, so schnell kann sie auch wieder verschwinden. Hat ein*e Betreiber*in einer Instanz keine Lust mehr, wofür es sehr viele Gründe geben kann, wird die Instanz im Zweifel einfach abgestellt… und mit ihr alle Nutzer*innen die dort waren, inklusive aller Beiträge, der Historie, der Information wem man folgt… und jede*r die*der einem gefolgt ist, findet einen dann auch nicht mehr.
Wir müssen also eine Instanz finden, der wir vertrauen und der wir zutrauen langfristig Bestand zu haben… oder eine eigene Instanz aufsetzen und sich selbst um die Server-Pflege kümmern, Sicherheits-Updates einspielen, sich ggf. um die Einhaltung geltenden Rechts kümmern wenn über die eigenen Instanz Unfug verbreitet werden sollte usw.
Kurz
Der dezentrale Ansatz im Prinzip eine tolle Idee. Geht ein Knoten kaputt, lebt das System zum größten Teil noch weiter, es wird als ganzes unempfindlicher und bleibt offen für weitere Entwicklungen… ziehen alte Knoten mit neuen Techniken nicht nach, sterben sie irgendwann ab und neue Knoten entstehen.
Im Prinzip jedenfalls und für uns Nerds mag das auch stimmen. Ob das auch Massentauglich ist wird sich zeigen. Ich bezweifle das erst einmal. Ja, E-Mail hat sich auch durchgesetzt und behauptet sich gegen alle neuen Entwicklungen weiterhin. Wie oben beschrieben ist aber die Nutzung von E-Mail ganz anders. Wenn nach Jahren ein Bekannter eine neue E-Mail-Adresse hat - kein Problem. Wenn aber jemand bei Mastodon die Instanz wechselt (was auch nicht so einfach ist ohne eigene Daten zu verlieren), dann wird davon erstmal nur ein engerer Kreis erfahren und ggf. viele hundert oder tausende Follower einfach weg sein – weil sie es nicht mitbekommen haben oder einfach keine Lust mehr haben, jedesmal, wenn einer der zig oder hunderten gefolgten die Adresse ändert …
Ob das alles passieren wird, ob Instanzen über die Jahre weiter konsolidieren und es am Ende nur wenige oder gar die eine große Instanz gibt? Wir werden sehen.
… ja ich habe einen Mastodon-Account. Ich kenne die Adresse selbst nicht auswendig und bin weiter bei Twitter unter bnSonic zu finden ;)